Mikroalgen sind eine vielfältige Gruppe photosynthetischer Mikroorganismen, die schätzungsweise etwa 50 % des Sauerstoffs auf der Erde produzieren. Als nachwachsende Rohstoffe finden sie bereits viele Anwendungen, beispielsweise in der Lebensmittelproduktion oder der Energieerzeugung. Doch ein weiteres spannendes Anwendungsgebiet eröffnet sich für Mikroalgen, die dank 3D-Druck eine Schlüsselrolle in der Medizin spielen könnten.
Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Professorin Eva Blasco vom Institut für Molekulare Systeme und Angewandte Materialtechnik der Universität Heidelberg hat die erste Tinte auf Mikroalgenbasis für den 3D-Druck komplexer und biokompatibler Mikrostrukturen per Laser entwickelt. Sie weist darauf hin, dass bisher vor allem Polymere petrochemischen Ursprungs verwendet würden, insbesondere für die Zwei-Photonen-Polymerisation zur Herstellung von Mikrostrukturen. Diese Polymere tragen zum Verbrauch fossiler Brennstoffe, zum Ausstoß von Treibhausgasen und oft auch zur Verwendung giftiger Inhaltsstoffe bei. Andererseits stellen neue Tinten auf Mikroalgenbasis eine umweltfreundliche Alternative dar.
Verwendet wurden zwei Algenarten, die besonders reich an Fetten in Form von Triglyceriden sind: die Kieselalge Odontella aurita und die Grünalge Tetraselmis striata. Zur Herstellung von Mikroalgentinte werden Triglyceride aus den Algen extrahiert und zur schnellen Aushärtung mit Acrylaten funktionalisiert. Bei Lichteinwirkung löst der photoaktive grüne Farbstoff eine chemische Reaktion aus, die die Mikroalgentinte aushärtet. „Daher verzichten wir auf den Einsatz potenziell toxischer Zusatzstoffe, wie beispielsweise Fotoinitiatoren, die in herkömmlichen Tinten verwendet werden“, erklärt Clara Vazquez-Martel, Doktorandin in der Eva Blasco-Forschungsgruppe am IMSEAM.
Um die Biokompatibilität der Mikroalgentinte zu testen, führten die Forscher Zellstrukturexperimente durch. Deshalb erstellten sie 3D-Mikrogerüste, auf denen Zellen 24 Stunden lang mit einer beeindruckenden Überlebensrate von 100 % kultiviert wurden. Professor Blasco betont: „Unsere Ergebnisse eröffnen nicht nur neue Möglichkeiten für einen nachhaltigeren optischen 3D-Druck, sondern auch für Anwendungen in den Lebenswissenschaften, von 3D-Zellkulturen bis hin zu biokompatiblen Implantaten.“
Mikroalgentinten könnten künftig in der Medizin zur Herstellung präziser Mikro- und Nanostrukturen oder als Grundlage für Implantate und Gerüste für die 3D-Zellkultur eingesetzt werden. Aufgrund seiner hohen Auflösung bietet es auch Potenzial für Anwendungen in der Optik, Photonik, Mikrofluidik und Biomedizin. Aufgrund seiner Biokompatibilität eignet es sich besonders für Druckprodukte, die mit lebendem Gewebe in Kontakt kommen.
Gleichzeitig schont das neue Material die Umwelt, denn Algen wachsen schnell und produzieren beim Anbau Kohlendioxid. „Trotz ihrer vielen Vorteile gelten Mikroalgen kaum als Rohstoff für den lichtbasierten 3D-Druck“, erklärt Professor Blasco, der mit seinem Team an der Schnittstelle von Polymerchemie, Materialwissenschaft und 3D-Nanofabrikation forscht.
Die Forschung ist Teil des Exzellenzclusters „3D Matter Made to Order“ in Zusammenarbeit zwischen der Universität Heidelberg und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Beteiligt sind auch Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie und der Universität Las Palmas de Gran Canaria.